Füllhaltermuseum

Material und Herstellung

Die Füllmechanik

Lewis Edson Waterman hatte 1883 das erste Patent für einen Füllfederhalter mit seinem neu erfundenen Tintenleiter eingereicht. Seine bahnbrechende Idee war es damals gewesen, Kapillaren für den Tintenfluss in den Tintenleiter einzubauen. Gleichzeitig wurde im Gegenstrom ein Druckausgleich geschaffen, indem das gleiche Luftvolumen, in kleinen Blasen durch das Loch der Feder in den Tank zurückströmte. Viskosität und Oberflächenspannung der Tinte mussten in diesem System ein Gleichgewicht zum hydrostatischen Druck der Flüssigkeitssäule über der Federspitze halten. Eine geniale Überlegung an der sich bis heute nichts Wesentliches geändert hat! Es wäre allerdings zu viel, hier von der Geburtsstunde des Füllhalters zu sprechen. Bereits vorher, und auch bis heute, tüfteln die Ingenieure nach Verbesserungsvorschlägen, von denen allerdings meistens nur das Papier in den Patentämtern überlebte.

Die ersten Füllfederhalter die bei uns hergestellt wurden, waren einfache einseitig geschlossene Röhrchen, die mit Hilfe einer Pipette mit Tinte gefüllt und mit der Feder in einem durchlässigem Vorderteil verschlossen wurden. Ohne dass die Feder, wie Jahrhunderte zuvor, immer wieder in ein Tintenfass eingetaucht werden musste, konnten in einem Zug größere Textblöcke beschrieben. Die 1883 gegründete „Heidelberger Federhalterfabrik“, die unter ihren neuen Besitzern Koch, Weber & Co 1899 nach Handschuhsheim übergesiedelt war, stellte Drehbleistifte, Schreibvorlagen und Füllhalter mit sehr empfindlichen außen liegenden Tintenröhrchen her. Eine Reinigung dieser Apparatur war allerdings nach Austrocknen kaum möglich. Den ersten erfolgreichen Füller bei Koch und Weber nannte man „Perkeo- Halter“ und bezog sich, wegen des damals unglaublichen Fassungsvermögens auf Clemens Pankert, genannt Perkeo, der ein weithin bekanntes Original vom Heidelberger Schloss gewesen war. Perkeo soll jeden Tag mehrere Liter Wein getrunken haben. Der Füllalter mit Watermans Tintenleiter wurde vermutlich seit 1903 hergestellt, nach 20 Jahren waren die Nutzungsrechte an seinem Patent frei geworden.

Originalverpackung des Umsteckhalters „Perkeo“
[Bild: Thomas Neureither]

Die Füller, die wegen ihrer Verschlusskappe auch als Umsteckhalter bezeichnet wurden, wurden manchmal mit Edelmetallen zu richtigen Schmuckstücken aufgearbeitet. Sie waren jedoch nicht auslaufsicher und konnten nicht in jeder beliebigen Lage herumgetragen werden. Diesem Missstand half wiederum der vom Amerikaner Waterman 1883 erfundene Sicherheitsfüllhalter ab. Im Inneren des Sicherheitshalters war ein Schraubengewinde eingebaut, mit dem die Feder in den Schaft eingezogen werden konnte. Nach Aufschrauben der Verschlusskappe war die Apparatur durch eine Korkdichtung in der Kappe hermetisch verschlossen. Koch und Weber verbesserten den Füllhalter mit einer Patentanmeldung, die die Feder vor einer versehentlichen Beschädigung beim aufsetzten der Kappe schützte. Bei der Heidelberger Federhalterfabrik wurde von den bis zu 1200 Beschäftigten in einer Vielzahl von Variationen produziert Auch hier gab es wertvolle Modelle mit Perlmutt-, Emaille- oder Goldauflagen, die im Vergleich schon mal einen halben Jahreslohn eines Arbeiters kosten konnten. Die Miniaturausführung, der Reisefüller „SPORT“, stammt ursprünglich aus den frühen 20er Jahren. Die Marke (!) dieser Serie von Sicherheitshaltern hieß KAWECO, nach der Phonetik der Anfangsbuchstaben der Haupteigner der Firma und CO von Company. Der KAWECO war innerhalb des ersten Viertels des Jahrhunderts das beliebteste Schreibgerät in Mitteleuropa und begründete den Aufstieg der Heidelberger Federhalterfabrik zur größten Firma dieser Branche auf dem Kontinent. Bis heute identifiziert man die ehemalige Marke mit dem heutigen Namen der Firma.

Neben dem Sicherheitsfüller der 20er Jahre, der immer noch umständlich mit einer Pipette gefüllt werden musste, wurden nach und nach einfachere Füllmethoden entwickelt: Ein Kautschuk-Schlauch im Inneren des Schaftes wurde mit einem Hebel oder einem Druckknopf oder durch eine Faltung zusammengepresst und beim Entspannen saugte der Füller selbsttätig Tinte aus einem Tintenfass auf.

Ältere Besucher des Museums erinnern sich noch an ihren ersten Füllhalter, „da musste man hinten noch drehen“….ja, tatsächlich, so wurde er mit Tinte aus einem Tintenfass befüllt. Die Patrone wurde Anfang der 60er Jahre flächendeckend eingeführt und ist heute noch die gängigste Art, wenn ein Schreibgerät mit wässrig- flüssiger Tinte betrieben wird. Das erwähnte Schreibgerät ist übrigens ein Kolbenfüller und ist mit seiner Erfindung und ersten Vermarktung durch die Firma Pelikan in Hannover gegen Ende der 20er Jahre eine vergleichbar neue Konstruktion. Der Kolbenfüller bis heute eines der zuverlässigsten Schreibgeräte. Seit den 60er Jahren wurden zusehends Patronenhalter produziert, die keine beweglichen Teile und deshalb auch keine aufwändigen Dichtungen mehr hatten. Ein Konverter, das ist ein nachfüllbarer Tank, der wie eine Patrone eingesetzt werden kann, ist dem Einwegartikel in jedem Fall vorzuziehen.

Abgefräste Demonstrationsmodelle, Links und Mitte: Kolbenfüller Mercedes aus Kirchheim mit Korkdichtung und Sichtfenster 1946, links mit besonders sicherem Doppelkolben. Rechts: KAWECO Sicherheitshalter 1922
[Bild: Thomas Neureither]

Alte Werkstoffe für Füllhalter

Hartgummi

Charles Goodyear war Besitzer eines Geschäftes für Bedarfsgüter und handelte unter anderem auch mit Kautschukprodukten. Er experimentierte mit Rohkautschuk und versuchte die noch sehr unbefriedigenden Eigenschaften des Materials zu verbessern. Man erzählt sich, dass ihm im Jahr 1839 versehentlich ein Säckchen mit Schwefelpulver aus einem Regal in den Topf mit heißer Kautschuklösung gefallen sei. Die Mischung erhärtete kurze Zeit später und ein neuer Werkstoff war erfunden. Das Weich- und Hartgummi (1850) war eigentlich ein voller Erfolg, doch war Goodyear mit der Vermarktung etwas glücklos. Die große Reifenfabrik seines Namens wurde erst Jahrzehnte nach seinem Tod gegründet.

Latex ist ein Milchsaft, der von vielen Pflanzen bei Verletzung der Außenhaut abgegeben wird, um die Wunde zu verschließen. Neben Proteinen enthält die Substanz hauptsächlich Isopren, ein in vielen Varianten vorkommender Naturstoff. Beim Erhitzen unter Zugabe von etwa 30 - 50 Gewichtsprozent Schwefel härtet die Masse nach dem Erkalten vollständig aus. Hart- und Weichgummi sind nach der Reaktion nicht mehr unzersetzt schmelzbar.

Als Füllstoffe werden weißes Zinkoxid, rotes Eisenoxid, am häufigsten aber wird Ruß verwendet. In Anlehnung an das schwarze Ebenholz wurde dem Hartgummi der Handelsname „Ebonit“ gegeben. Auch „Vulkanit“, nach dem Produktionsverfahren, welches als Vulkanisation benannt wurde, war als Handelsname gebräuchlich.

Die überragenden mechanischen Eigenschaften des Hartgummis haben dieses Material in den anfänglichen Jahrzehnten zur ersten Wahl als Schaft und Mechanik der frühen Füllhalterindustrie werden lassen. Darüber hinaus ist Hartgummi auch heute noch das beste Material für Tintenleiter. Das liegt daran, dass es sich hierbei um ein hydrophiles Material handelt, die Oberflächenbenetzung durch polare wässrige Lösungen, wie Tinte, ist unerreicht, der Tintenfluss in den Kapillaren des Tintenleiters ist optimal. Schwarzes, rotes und seltener auch marmoriertes Hartgummi wurde in Form von 1 Meter langen Stäben oder Röhren für die Füllhalterproduzenten gefertigt und lässt dich problemlos drehen, feilen, bohren oder fräsen. Beim Zerspanen von Hartgummiteilen wird allerdings der intensiv üble Geruch von Schwefelverbindungen frei.

Das fertige Produkt konnte mit feinen Guillochierungen (sprich: „gilluschierungen“) oder Gravuren eine bessere Griffigkeit und einen dezenten Schmuck erhalten. Das Guillochieren, nach dem französischen Mechaniker Guillot benannt, ist ein Verfahren, bei dem mit einer mechanischen Codierung in einer Maschine ein filigranes Muster in eine Oberfläche eingekratzt werden kann. Ursprünglich wurden damit Taschenuhren oder Metallbehälter mit zykloidischen Mustern verziert. Angewandt auf zylindrische Körper wie Füllhalter konnten Streifen-, Wellen-, oder Waffelmuster aufgebracht werden.

Guillochiermuster
[Bild: Thomas Neureither]

Ungebrauchte Hartgummi-Füllhalter können bei guter Lagerung ihren Oberflächenglanz mühelos über hundert Jahre erhalten. Was den Sammler historischer Schreibgeräte interessiert, ist die Aufarbeitung, Reparatur und Konservierung von Füllhaltern. Das Verblassen des Hartgummis nach intensiver Lichteinstrahlung ist leider irreversibel. Die Oberfläche kann mit feiner Schleifpaste abgetragen werden und mit dem Wachs aus der Paste oberflächlich gegen Oxidation verschlossen werden.

Kaweco- Hartgummi- Füller mit verschiedenen Füllsystemen. Unten: Schreibset aus Galalith
[Bild: Thomas Neureither]

Galalith

Dieser Begriff ist eine Kombination aus den griechischen Wörtern Gala = Milch und Lithos = Stein. Dieser halbsynthetische Kunststoff, auch Kunsthorn genannt, wurde erstmals 1897 von Spitteler und Krische hergestellt. Die Entdecker waren wirtschaftlich erfolgreicher mit ihrem Produkt als Goodyear und die Verwendung erstreckte sich von Kleinartikeln im Haushalt, wie Knöpfe oder Kämme, industrielle Bedarfsartikel, wie Gehäuse oder elektrische Schaltkästen bis zu Möbelverzierungen, Kunstgegenständen und natürlich Schreibgeräte.

Das Casein wurde mit Säure oder Lab aus der Milch ausgefällt, entfettet und mit Formaldehyd-Lösung versetzt. Es härtete nach mehreren Monaten Lagerzeit in Betonbecken vollständig aus. Das elfenbeinweiße Produkt lässt sich schmelzen und auf Automaten mechanisch gut bearbeiten und kann mit einer Vielzahl von Farben eingefärbt werden. Häufig wurden die Dornöffnungen in den Kappenköpfen von Hartgummifüllern nach dem Abdrehen oben mit geschmolzenen Galalith verschlossen. Die Hersteller von Hartgummistäben konnten diese mit verschiedenen Innenprofilen herstellen und so wurden neben runden weißen Punkten im Kappenkopf auch Firmenembleme wie Vierkante, Sterne oder das Osmia- Karo gefertigt. Nach dem Aushärten der Schmelze wurde das überstehende Material einfach übergangslos zum Kappenmaterial abgedreht und wegpoliert.

Im Stranggussverfahren ließen sich runde oder kantige Stäbe in einer praktisch unbegrenzten Farbenvielfalt für die Füllhalterindustrie herstellen, dies waren neben den schwarz- rot marmorierten Hartgummifüllern die ersten bunten Stifte auf dem Markt. Galalith war wegen seiner schönen Färbungen und wegen des oft perlmuttartigen Glanzes sehr begehrt, war aber dem Hartgummi im praktischen Einsatz deutlich unterlegen. Der große Nachteil von Galalith ist, dass es größere Mengen von Wasser aufnimmt, dabei quillt und weich wird. Deshalb wurden aus dem Material häufig Drehbleistifte hergestellt und in Füllhaltern war der Einsatz auf Teile begrenzt, die nicht mit der Tinte in Berührung kamen. Die Späne und der Verschnitt, der bei der Verarbeitung anfiel, wurde nach Aussagen von Beschäftigten nachher auf den Komposthaufen geworfen. Das stickstoffhaltige Eiweiß zersetzte sich langsam und konnte, den Hornspänen ähnlich, als Langzeitdünger verwendet werden.

Farbige Galalith- Stäbe als Rohware aus Ober- Ramstadt im Odenwald. Heute: Verbandsgemeinde Mühltal
[Bild: Thomas Neureither]

Galalithwaren wurden insbesondere während Kriegszeiten hergestellt, da die Industrie oft von ihren überseeischen Einfuhren abgeschnitten war. Nach 1945 kam die Produktion durch den Fortschritt in der erdölbasierten Polymerchemie allerdings vollständig zum Erliegen. Ein noch heute gut bekannter historischer Werkstoff ist Bakelit, ein Produkt des Belgiers Leo Baekeland der diesen Kunststoff 1905 aus Phenol oder „Carbolsäure“ und Formaldehyd synthetisiert hatte. Der Duroplast ist jedoch spröde, in ausgehärtetem Zustand nicht mehr schmelzbar und schwer zu verarbeiten. Er fand kaum Anwendung in Füllhaltern.

Celluloid

Celluloid ist sicher der schönste und spektakulärste Kunststoff für die Schreibgerätefabrikation. Der Stoff ist eine Mischung aus Nitrocellulose und Campher und soll erstmals 1856 von Alexander Parkes hergestellt worden sein. Nitrocellulose, Schießbaumwolle oder, chemisch korrekt, Cellulose- Salpetersäure-Ester wird aus Baumwolle hergestellt, die mit Nitriersäure, einer Mischung aus konzentrierter Salpetersäure und konzentrierter Schwefelsäure, behandelt wurde. Man erhält nitrierte Cellulose mit 10 bis 13% Stickstoff, die in Ether-Alkohol löslich ist und unter Stoß oder Schlag explosionsartig verbrennt.

Obberrheinische Füllhalterfabrik PAN, Mannheim und Heidelberg
[Bild: Thomas Neureither]

Campher ist ein Inhaltsstoff des Campherbaumes, der in Südostasien beheimatet ist. Das weiße Pulver wird durch Wasserdampfdestillation aus dem Holz gewonnen. Es ist ein Terpen und riecht streng, etwas an Pfefferminz erinnernd. Campher-Präparate werden gemeinsam mit Lanolin oder Leinöl als Einreibemittel bei Atemwegserkrankungen eingesetzt, viele werden den scharfen Geruch noch von früher her in der Nase verspüren. Der enorme Bedarf an Campher wurde allerdings alsbald durch synthetisches Produkt substituiert.

Hebborn & Co „Luxor“. Köln und Handschuhsheim
[Bild: Thomas Neureither]

Genau genommen ist die Mischung auch noch bei Raumtemperatur eine extrem zähe Flüssigkeit, bei der nur die eigene Oberflächenspannung ein Zerfließen des schönen Schreibgeräts verhindert. Lehnt man allerdings Stäbe oder Röhrenmaterial, welches zur Herstellung von Füllhaltern gebraucht wird, einige Wochen schräg an die Wand, dann hat man nur noch bananenförmiges Drehmaterial, welches sich nur äußerst störrisch zurück in die ursprüngliche Form bewegen will.

Das Celluloid war ein sehr beliebtes Material, die weiße, oft perlmuttartige schmelzbare Masse ließ sich gut verarbeiten, wenn auch beim Drechseln ständig mit Wasser besprüht werden musste, da die anfallenden Drehspäne bei einer Selbstentzündung kaum wieder gelöscht werden konnten. Celluloid wurde auch als Ersatz für Elfenbein verwendet. Bekannt sind die Puppen aus Celluloid, die in der Rheinischen Zellstoff und Gummiwarenfabrik „Schildkröt“ in Mannheim- Neckarau hergestellt wurden. 1924 brachte die Firma DuPont Röhrenmaterial für die Schreibgerätefabrikation in einer fast unendlichen Farbenvielfalt auf den Markt. Das Material war leicht, aber trotzdem äußerst bruchfest. Man weist dem Celluloid „haptische“ Eigenschaften zu. Tatsächlich verdampfen geringe Mengen von Campher aus der Oberfläche, die auch Hochglanzteilen eine mikroskopische Rauheit verleihen und ein Abglitschen durch an der Hand frei werdende Feuchtigkeit verhindern. Die Füllhalter fanden reißenden Absatz und die konservativ produzierenden Firmen, wie Waterman und KAWECO, die Celluloid nur sehr schleppend adoptierten, wurden von Platz eins der nationalen Produzenten verdrängt.

Sehr beliebt war die Färbung „Perl“, sie wurde von vielen Firmen verwendet. Durchscheinendes Celluloid wurde grob zermahlen oder in Würfel geschnitten und mit flüssigem schwarzem Material in den Zwischenräumen verpresst. Aus dem Block wurden dann Vierkantstäbe herausgesägt, die außen rund gedreht und innen ausgebohrt wurden.

Mitte: Georg Reinhard, Plankstadt
[Bild: Thomas Neureither]

Der größte Teil des Materials wurde allerdings bei diesem Herstellungsprozess zerspant. Bei einem alternativen Herstellungsverfahren wurden aus dem Rohmaterial dünne Bänder oder Blätter herausgeschnitten, die spiralig oder konzentrisch um einen Stahlstab herum verklebt wurden. Dieses Patentverfahren war zwar erheblich materialsparender, doch ergab sich nicht mehr die interessante teilweise transparente Tiefenwirkung des Produkts. Ein Patentmuster ergab sich durch die regelmäßige Schichtung verschiedenfarbiger Celluloid-Platten, meist schwarz und farbig. Wurde der fertig verklebte Block ein weiteres Mal schräg zur Schichtung zersägt und jeweils um 180 Grad verdreht erneut miteinander verklebt, dann ergaben sich interessante Fischgrät- Muster. Die Schichten konnten mit geringen Mengen Aceton verklebt werden, das Lösungsmittel löst dabei die Oberfläche an und erzeugt eine innige, sehr feste Verbindung.

Hermann Böhler Dossenheim
[Bild: Thomas Neureither]

Deshalb können zerbrochene Celluloidteile auch mit Aceton geklebt, die Oberflächen von historischen Reparaturfüllern aber auch durch versehentlich zerlaufenes Lösungsmittel möglicherweise irreparabel ruiniert werden. Auch andere Lösungsmittel, wie z.B. Essigester lösen Celluloid und Celluloseacetat, welches heute als Ersatzstoff dient, an. Deshalb sollten niemals Klebstofftuben in Federmäppchen mitgeführt werden. Celluloid unterliegt wegen der leichten Entzündlichkeit der Gefahrstoff-Verordnung und wird in Deutschland nicht mehr hergestellt und verarbeitet.

Die Produktion

Handschuhsheim war zur Jahrhundertwende nicht besonders einladend für eine Industrieansiedlung. Die dörfliche Infrastruktur mit Wasser-, Gas- und Stromversorgung sowie Abwasserleitungen war kaum vorhanden. Der bauliche Zustand von Straßen und deren nächtliche Beleuchtung, Telefon und viele weitere, heutzutage aus dem öffentlichen Leben nicht wegzudenkende Notwendigkeiten waren noch völlig unterentwickelt. In der ländlichen Bevölkerung konnten, auch in weiterer Umgebung, keine den Bedürfnissen der „Heidelberger Federhalterfabrik“ angemessenen Spezialarbeiter gefunden werden. Es wurden Holzdreher aus dem Odenwald und Gürtlermeister (Messingschlosser) aus Nürnberg angeworben. Aus Hamburg kamen Fachleute aus der Hartgummibranche. Bald wurden aber auch ortsansässige Hartgummidreher-Lehrlinge im Alter von etwa 14 Jahren und angelernte Arbeitskräfte eingestellt.

Heidelberger Federhalterfabrik Kaweco, etwa 1910
[Bild: Thomas Neureither]

Ein Sicherheitshalter bestand aus 12 Teilen, die aus Voll- oder Röhrenmaterial auf einer Drehbank herausgearbeitet wurden. Alle Teile wurden verschraubt oder mit Splinten gesichert zusammengesteckt, nichts wurde verklebt. Die Maschinen wurden in der Anfangszeit noch mit Muskelkraft angetrieben, später mit Dampfmaschinen oder großen Elektromotoren, deren Kraft über abenteuerliche Konstruktionen von Transmissionsriemen in der Werkshalle verteilt wurden. In engen Räumen arbeiteten Männer und Frauen bei dauernder Lärmbelästigung und ständiger Verletzungsgefahr.

Füllhalterfabrik „Mercedes“ in Heidelberg-Kirchheim
[Bild: Thomas Neureither]

Ein Arbeiter konnte 75 Sicherheitsfüllhalter in der Woche herstellen. Von den Beschäftigten wurden viele unterschiedliche Fertigkeiten verlangt, ein Industrieberichterstatter pries in einem Zeitungsartikel die atemberaubende Geschwindigkeit an, mit der Hartgummistäbe zersägt und Gewinde eingeschnitten wurden. Die Gewinde wurden damals noch „gestrählt“. Der Strähler war ein spitz zulaufendes Handwerkszeug, welches mit einer Reihe scharfer Kerben versehen war. Während einer Drehung des Werkstücks in der Drehbank musste durch einen minimalen manuell durchgeführten Vorschub des Strählers der nächste oder übernächste Gewindegang erreicht werden. Zweifach oder Dreifach Gewinde erlaubten dann nachher beim Verschließen der Füllhalterkappe die gleiche Verschlussfestigkeit auch beim Zuschrauben mit nur einer Drehung. Diese, für den Verbraucher eigentlich unmerkliche aber selbstverständliche Bequemlichkeit in der Handhabung, war nur durch das handwerkliche Feingefühl der Arbeiter an den Drehbänken möglich.

Die Arbeiter fertigten die Füllhalter „nach Muster“. Sie erhielten die Einzelteile eines Rohlings und mussten davon mehrere Kopien anfertigen. Es gab nur Skizzen, keine Konstruktionszeichnungen und keine genauen Maße, sodass die Endprodukte, die komplett montiert bei der Qualitätskontrolle abgeliefert werden mussten, geringfügig in den Längen und Durchmessern abweichen konnten. Wichtig war nur, dass jedes einzelne Fertigprodukt dicht und gängig war. Schließlich musste der Sicherheitsfüllfederhalter auch noch über Jahre hinweg haltbar sein.

Handwerkszeuge
[Bild: Thomas Neureither]

Am ansehnlichen Firmengewinn wurden die Arbeiter eigentlich kaum beteiligt, die Betriebsleiter und Prokuristen, die in der „KAWECO“ die „fünf Direktoren“ genannt wurden, verdienten noch in der Zeit vor dem Zusammenbruch Ende der 20er Jahre jeweils 1000 Reichsmark. Ein Dreher verdiente etwa die Hälfte dessen, was für eine vierköpfige Familie damals von der Reichsregierung als notwendig erachtet worden war. Um zu einem ausreichenden Lebensunterhalt zu kommen, mussten Familienangehörige ebenfalls in der Fabrik arbeiten. In der ursprünglich landwirtschaftlich geprägten Oberrheinischen Tiefebene wurden zusätzlich im Nebenerwerb und zum Selbstverbrauch landwirtschaftliche Produkte erzeugt.

Erst mit dem „Pelikan-Halter“ aus Hannover wurden seit 1929 die Einzelteile mit Präzisionsmaschinen mit Genauigkeiten bis zu 1/100 Millimeter hergestellt. Diese Teile konnten dann in Arbeitszerlegung von beliebig vielen Arbeitern hergestellt werden und passten dann bei der Endmontage alle sicher zueinander. Die neuen von Theodor Kovacs entwickelten Kolbenfüller bestanden aus 26 Einzelteilen. Umgerechnet auf eine Person konnte ein Arbeiter etwa 120 Füller pro Woche herstellen. Die höhere Produktivität war ein Ergebnis aus der intensiven Rationalisierung durch Arbeitszerlegung und dem technischen Fortschritt beim Maschineneinsatz.

Obwohl bereits 1938 die erste Spritzgussmaschine für Füllhalterteile in Jena vorgestellt worden war, weigerte man sich zunächst jahrelang, diese neue Technik anzunehmen. Auf Seiten der Arbeiter war man sich bewusst, welches Potential an einem Verlust von Arbeitsplätzen dieser Maschineneinsatz bedeutete. Aber auch die Fabrikbesitzer befürchteten eine nachhaltige Schädigung des außerordentlich guten Rufes ihrer handwerklich hergestellten Qualitätsprodukte, da die Passgenauigkeit der gespritzten Teile noch nicht befriedigend war. Es gab deshalb eine stillschweigende Übereinkunft der Großproduzenten, die neue Technik nicht einzuführen. Allerdings gab es auch einen zunehmenden Konkurrenzdruck von Blockadebrechern, die in kleinen Betrieben Billigware für Kaufhäuser herstellten und den Wechsel in der Produktionsweise erzwangen.

Der Patronenfüller, der seit Anfang der 60er Jahre favorisiert wurde, hat keine beweglichen Teile und keine Dichtungen mehr und ist deshalb auch aus wenigen Teilen zu fertigen. Das Schreibgefühl wurde zusehends vereinheitlicht, harte Federn und oft ideenloses Design von Billigprodukten schmälern aber kaum die Freude am Schreiben. Der Sammlerbewegung historischer Schreibgeräte ist aber begrenzt.

Kaweco-Sport, 1922 - 1972
[Bild: Thomas Neureither]

Thomas Neureither 2024