Füllhaltermuseum

Geschichte der Feder

Eine Feder ist nichts weiter, als eine schräg angeschnittene Röhre mit einem kurzen Mittelschnitt, deren anhaftende Tinte oder Tusche, in die sie eingetaucht wurde, zur Spitze hin abläuft und auf der Unterlage einen deutlich sichtbaren Strich hinterlässt.

Lange Zeit wurden Vogelfedern zum Schreiben benutzt und über Jahrhunderte hinweg wurden Milliarden dieser Tierprodukte importiert, kunstvoll angeschnitten, zum Schreiben benutzt und schließlich wieder „abgeschrieben“. Die erste Symbolschrift, die Keilschrift der Sumerer, ist etwa 5500 Jahre alt, in China und Ägypten entwickelte sich eine Bilderschrift. Rebusartige Kombinationen von stilisierten Lauten vereinfachten sich zu Buchstaben, doch blieben auch Bilderschriften bis auf den heutigen Tag erhalten.

Stahlfedern
[Bild: Thomas Neureither]

Die erste Metallfeder wurde von Aloys Sennefelder, dem Erfinder der Lithographie im Jahre 1798 konstruiert. Er benutzte profilierte angeschliffene Abschnitte von Stahlstreifen, um damit Lithographiesteine zu beschriften. Eine weitere Verbesserung der Feder geht auf den Franzosen Mallat zurück, der 1843 kleine Körnchen aus Hartmetall auf die Federspitze lötete. Der Engländer Josef Gillot verbesserte schließlich die Geometrie der Stahlfeder und begründete im englischen Industriezentrum Birmingham eine Massenproduktion, bei der Stahlfedern im Tonnenmaßstab hergestellt und in alle Welt exportiert wurden. 1852 wurde mit Heintze & Blanckertz die erste deutsche Stahlfedernfabrik gegründet und wenig später zogen die heute noch bekannten Traditionsmarken Soennecken in Bonn und Brause in Iserlohn mit eigenen Produktionen nach.

Federn in bunter Verpackung
[Bild: Thomas Neureither]

Das tragende runde Profil des Rohres sowie der Mittelschnitt, der der Federspitze eine gewisse Flexibilität brachte, blieb erhalten. Ein geschlossenes Rohr brauchte man aber nicht mehr. Ein halbrundes Profil, das aus einem Stahlblech ausgestanzt wurde, verringerte die Statik der Feder nicht, ja, sie ließ sogar weitere Veränderungen zu, die bei gleicher Festigkeit die Flexibilität erhöhten. Man fand, dass ein am Ende des Mittelschnittes angebrachtes Loch die Schreibeigenschaften verbesserte und gleichzeitig ein fortschreitendes Einreißen der Feder an dieser Stelle verhinderte. Ein unlösbares Problem war die Anfälligkeit der damaligen Stahlfedern gegen Korrosion. Der Zustand war systembedingt, denn mit zunehmender Festigkeit des Stahls musste auch der Gehalt von Eisencarbid erhöht werden, der in Gegenwart von Feuchtigkeit und insbesondere von Tinte ein heftiges Verrosten auslöste. Das Einfetten von Federn verbot sich selbstverständlich, da die Oberfläche der Feder dann auch die Tinte wieder abwies.

Irreversible Korrosion an verbesserten Schreibfedern trat auch unerwartet wieder auf, als die ersten Füllfederhalter konstruiert wurden. Obwohl man kohlenstoffarme hochlegierte Stahlfedern produzierte, brachen diese häufig direkt am Schaftansatz des Füllfederhalters. Offenbar waren sie dem Großangriff der schwefligen Ausdünstungen des Füllhalterschafts aus Hartgummi in Verbindung mit den Eisengallustinten erlegen.

Goldfedern

Die Lösung des Problems war die Konstruktion einer Goldfeder. Reines Gold kommt allerdings dafür nicht in Frage, da es viel zu weich und nicht abriebfest ist. Als geeignet hat sich die Legierung mit 14 Karat entsprechend 585 Massepromill Gold erwiesen. Um den Goldabtrag an der Federspitze zu verhindern, wurde dort ein winziges Korn eines äußerst harten Metalls, welches allgemein als Iridium bezeichnet wird, aufgelötet oder angeschweißt. Iridium ist ein Element der festen Erdrinde, welches dort seltener als Gold oder Platin vorkommt. Das Metall findet sich aber häufiger, neben Eisen und Nickel, vergesellschaftet mit weiteren sehr dichten Metallen wie Osmium, Ruthenium, Wolfram oder Platin, im Kern von Metall-Kometen. Die natürlich vorkommenden Metallkörnchen finden sich gehäuft in wechselnden Legierungs-bestandteilen in einer weltweit vorkommenden Sedimentschicht aus der Kreidezeit, die von einem gigantischen Kometen-einschlag aus einer fernen Supernova herrührt. So ist es denkbar, dass Federspitzen alter Goldfedern aus dem Kometen stammen, der zur Zeit der Dinosaurier auf der Erde eingeschlagen ist.

Neben der Korrosions- und Abriebfestigkeit sowie der guten Benetzbarkeit mit der Tinte ist die Elastizität der Feder eine weitere geforderte Bedingung. Die Spitze der Feder sollte sich während des Schreibens durchbiegen, um die Bewegungen der Hand auszugleichen. Dabei spreizen sich die beiden Federschenkel leicht auf und verbreitern den Strich. Die Feder muss nach dem Absetzen aber auch wieder sicher in die ursprüngliche Stellung zurückkehren und der Tintenfluss darf während des Durchbiegens nicht abreißen. Die wechselnden Strichweiten ergeben einen vollkommen individuellen, ästhetischen, oft kalligraphischen Schreibstil.

Flexible historische Goldfedern sind heute bei den Sammlern eine gesuchte Rarität.

#1 und #2: Kaweco Goldfedern aus Handschuhsheim, frühe 20er Jahre. #3: Badische Federhalterfabrik KWG in Wiesloch1925, die die Marke der KAWECO 1929 übernahm
[Bild: Thomas Neireither]

Morton und die Heidelberger Federhalterfabrik

Die Heidelberger Federhalterfabrik Koch, Weber & Compagnie KAWECO verlegte ihren Sitz im Jahre 1898 von Heidelberg in das noch eigenständige Dorf Handschuhsheim und zog in ein Gebäude der ehemaligen Glasschilderfabrik Zimmermann ein. In der näheren Umgebung hatte sich mit der Dampfziegelei Stöckinger, der Eisengießerei Schlicksupp und dem Bauge-schäft Schmitt bereits ein kleiner Industriepark etabliert. Anfangs bezog die KAWECO die benötigten Schreibfedern aus England sowie von der Firma Morton in New York. 1913 wurde der leitende Angestellte und spätere Mitinhaber der KAWECO, der Chemiker Dr. Friedrich von Meyenburg, nach New York geschickt um bei Morton über den Ankauf von Produktions-maschinen zu verhandeln. Morton-Federn waren zu dieser Zeit als die beste Qualitätsware der Welt bekannt und wurden auch von den führenden amerikanischen Firmen, z.B. Waterman, verwendet. Im März 1914 erschienen unter der Leitung von Betriebsleiter Asvield Techniker und Ingenieure aus den USA mit ihren Familien in Handschuhsheim, installierten die Geräte für die Goldfedernproduktion und lernten die ersten Mitarbeiter ein. Zu diesen zählten auch Hermann Böhler und Peter Rupp.

Im Herbst 1914 begann der erste Weltkrieg und die amerikanischen Arbeiter zogen sich nach New York zurück, 1915 ging auch Asvield. Er bestätigte, dass die Heidelberger Federn mit der Einprägung HF, KAWECO sowie mit der Schutzmarke Morton, in Bau und Qualität den amerikanischen Morton-Federn glichen. Während des ersten Weltkrieges konnte ein Großteil der deutschen Füllhalterproduktion, die von Federimporten aus dem Ausland abgeschnitten war, von der KAWECO mit Federn versorgt werden.

Werkzeug aus Valentin Neureithers Füllhalterwerkstatt
[Bild: Thomas Neureither]

Trotz des rasanten Aufstiegs der KAWECO zum europäischen Marktführer bis zum Jahr 1925, ergab sich ein dramatischer wirtschaftlicher Abschwung der Firma, der 1929 im Konkurs endete. Der Name wurde an die Badische Federhalterfabrik in Wiesloch verkauft und viele der ehemaligen Beschäftigten begannen mit dem Aufbau eigener Produktionsstätten.

Federnherstellung in der Praxis

  1. Aus einem 4 cm breiten und 0,5 mm dicken 14- oder 18karätigem Goldband wurden drachenförmige fünfeckige kurze Rohlinge ausgestanzt. In die Spitzen der Platten wurde jeweils eine Vertiefung eingeschlagen, in die ein noch kantiges Körnchen der natürlich vorkommenden Iridium-Osmium-Legierung eingelegt wurde. Die Spitze wurde verlötet, in späteren Jahren auch im elektrischen Lichtbogen verschweißt.

  2. Die Platte wurde von Hand oder mit kleinen mechanischen Hammerwerken von der Spitze her gehämmert, späterer auch gewalzt. Bei diesem Vorgang wurde das Material erheblich verdichtet. Die Mikrokristalle verhaken sich dabei gegenseitig. Die Goldlegierung wurde härter, aber auch spröder und es konnte zu Korngrenzenbrüchen kommen. Die ursprüngliche Dicke an der Spitze blieb erhalten. An der Basis der Feder wurde sie auf Bruchteile von Millimetern verringert. (Heute werden die Goldbänder vor dem Ausstanzen der Platinen unter kontrolliert hohem Anpressdruck verdichtet und auf die gewünschte Härte gebracht)

  3. Zwischen den Schmiedevorgängen musste die auftretende „Glashärte“ durch Ausglühen der Feder immer wieder abgestumpft werden. Die Spitze durfte aber bei diesem empfindlichen Vorgang nicht mit erhitzt werden. Bei der KAWECO wussten sich die Federarbeiterinnen mit einem Haushaltstrick zu helfen: Die Federspitze wurde bis zur Schulterflanke in eine große Kartoffel gesteckt und die Basis der Feder an einer Gasflamme auf dunkle Rotglut erhitzt. Obgleich diese Vorgehensweise recht vorsintflutlich erscheint, so war es doch vermutlich dieses organische Temperaturprofil längs des Metalls, welches Federn mit weltweit geschätzten und bis heute kaum mehr erreichten angenehm flexiblen Schreibeigenschaften hervorgebracht hatte. Wie viele Federn allerdings „versehentlich“ voll-ständig in den Kartoffeln verschwanden und erst zuhause beim Abendessen wieder auftauchten, ist nicht überliefert. Jede Feder war ein Unikat, in dem viel vom Gefühl des Beschäftigten steckte. Fehler, z.B. Überhitzen, konnte zu irreversiblen Veränderungen des Kristallgefüges sowie zu einer unkontrollierten Oberflächenoxidation der unedleren Legierungsbestandteile führen. Seit der Einführung der Massenproduktion werden die Federn einheitlich in einem hocherhitzten Bad aus geschmolzenen Salzen geglüht.

  4. Die endgültige Fläche der Feder wurde nochmals ausge-stanzt und dann das Herzloch ausgeschlagen oder gebohrt und mit winzigsten Feilen ausgefeilt. Mit einem Stahlstempel wurde der Firmeneindruck und der Goldgehalt eingeprägt.

  5. Das halbrunde Profil der Feder wurde geformt.

  6. Die Feder wurde geschlitzt. Mit sehr schnell rotierenden 0,1 mm dicken Kupferscheiben, die mit einer ölhaltigen Verreibung aus Korund bestrichen wurden, wurde von der Spitze her der Mittelschnitt bis zum Herzloch eingesägt.

  7. Die endgültige Form der Federspitze wurde geschliffen.

  8. Die Federn wurden entgratet und innen und außen poliert.

Drei Marken, ein Hersteller seit 1930 Orthos, Artus und schließlich Lamy. C.J. Lamy war ein sehr früher Kunde der Federnfabrik Peter Bock in Handschuhsheim
[Bild: Thomas Neureither]
Rupp Federn aus dem Handschuhsheimer Eberlinweg mit den Wappentieren Luchs und Löwe
[Bild: Thomas Neureither]

Vergoldungen

Eine Goldfeder wiegt heutzutage mit durchschnittlich 0,7 Gramm etwas mehr als die viel dünneren Federn der späten 20er und frühen 30er Jahre. Der Goldgehalt einer 585 = 14 Karat Feder beträgt dann etwa 0,4 Gramm, nach dem heutigen Goldpreis etwa 13 Euro. Der Endverkaufspreis eines Füllhalters mit Goldfeder schlägt heutzutage allerdings erheblich mehr zu Buche.

Es hat auch immer wieder Versuche gegeben, Gold in Schreibfedern einzusparen, indem doubleartig Feinbleche aus Silber, Alpacca oder Messing zwischen zwei Goldbleche eingearbeitet werden. Nach dem Schlitzen der Feder liegt dann allerdings das unedlere Metall im Mittelschnitt und am Loch der Feder offen. Gerade an diesen empfindlichen Stellen kann eine heftige Korrosion beginnen, die den Tintenfluss behindert. Eine Feder dieser Sandwich-Bauart wäre vollkommen ungeeignet.

Die Vergoldung von Stahlfedern war immer nur eine mehr oder weniger gute Lösung, die eigentlich eher aus optischen Gründen gemacht wurde. Dabei ist das Vergolden einer hoch legierten Stahlfeder aus technischen Gründen nicht einfach, das Vergolden einer niedrig legierten Feder führt, wenn sich Haarrisse bilden, zur Ablösung der Goldschicht.

Recht problemlos ist die „Kontakt- oder Tauchvergoldung“, die ich hier auszugsweise anhand einer Originalbeschreibung von Heraeus in Hanau am Main vom 7.10.1955 für eine Gold-federnfabrik in Handschuhsheim, anführe.

Die gut polierten Federn werden mehrfach in Trichloräthylen entfettet und zur Entfernung letzter Schmutzreste in konzentrierter Natronlauge gekocht. Danach werden sie in destilliertem Wasser gespült und in Salzsäure aktiviert. Nach erneutem Abspülen werden die Federn in die kochende Goldlösung eingebracht. (Anmerkung: Diese enthielt Goldchlorid, Natriumcyanid sowie einen basischen Puffer). Nach etwa 80 Sekunden ist der Vorgang beendet. Mit – umgerechnet – einem Gramm Feingold lassen sich 1800 Federn üblicher Größe gut deckend vergolden. Fällt einmal eine Charge nicht farbschön aus, dann kann die Goldschicht mit einer Lösung von 100 Gramm Zyankali pro Liter Wasser wieder entfernt werden.

Diese Art der Vergoldung war einfach und billig, selbst mit dem heutigen hohen Goldpreis errechnet sich die Goldmenge pro Feder für einen Preis knapp über einem Cent. Der optische Eindruck fabrikneuer Goldschichten auf kontaktvergoldeten Federn ist völlig befriedigend.

Im Ergebnis besser ist die elektrolytische Vergoldung. Hierbei werden die Federn in ein Metallgestell eingespannt und tauchen in ein Bad aus cyanidischem Gold-Komplex ein. Nach Einschalten einer angelegten Gleichspannung wird weiteres Gold aus der Lösung abgeschieden. Praktisch könnten mit diesem Verfahren Goldschichten bis zu einem Millimeter Dicke erzeugt werden. Bei bestimmten Stromdichten können aus dem Elektrolyten auch Fremdmetalle mit elektrolysiert werden, die die Goldschichten mechanisch erheblich verbessern können. So erhöhen geringe Mengen Antimon oder Kobalt die Härte der Vergoldung auf den zehnfachen Wert. Andere Fremdmetalle wie Kupfer, Nickel, Wismut oder Indium geben effektvolle farbige Tönungen.

Viele Goldfedern werden heute auch rhodiniert. Das elektrolytisch aufgetragene Rhodium ist ein Metall, welches bei hervorragender Korrosions- und Kratzfestigkeit auf Spiegelglanz poliert werden kann.

An dieser Stelle soll resümierend nochmals auf die ingenieurs-technischen und handwerklichen Leistungen bei der Entwicklung der Schreibfeder hingewiesen werden, aber auch an die damaligen gesundheitlichen Belastungen, die hunderte von Federarbeiterinnen durch gefährdende Maschinen ätzende Säuren und Laugen, krankmachende Lösungsmitteldämpfe und schwermetallhaltigen Schleifstaub zu ertragen hatten. Heute ist dies ein längst überholter Zustand.

Osmia-Federn

Osmia-Federn mit dem Karo-Emblem
[Bild: Thomas Neureither]

Die Brüder Georg und Hermann Böhler, die von der Heidelberger Federhalterfabrik Kaweco als Kaufleute angeworben worden waren, setzten sich frühzeitig über die Grenze nach Dossenheim ab und gründeten dort 1919 ihre eigene Schreibgerätefabrik Böhler & Cie. In der Anfangszeit wurden überwiegend Drehbleistifte produziert, doch widmete man sich auch der Herstellung von Füllhaltern. Die Federn wurden aus England bezogen, alsbald konnte auch mit dem Fachwissen, welches sich Georg und Hermann Böhler bei der Kaweco erworben hatten, eine eigene Federnproduktion aufgebaut werden. Anfang der 20er Jahre erschien einer der Direktoren der Firma Heraeus aus Hanau und bot eine eigens für Federspitzen konzipierte synthetische Legierung an. Ursprünglich wurde die natürlich vorkommende Legierung aus Tasmanien bezogen. Die Zusammensetzung des Naturerzes war nie ganz konstant, enthielt jedoch schon immer größere Mengen von Osmium, aber auch eine ganze Reihe von unedlen Elementen, die früher oder später aus dem Metallverband herauskorrodieren und eine schwammartige kratzige Oberfläche hinterlassen konnten.

In der Vakuumschmelze von Heraeus waren verschiedene Legierungen von Metallen der Platingruppe im Periodensystem der Elemente angesetzt worden, und man hatte festgestellt, dass hohe Gehalte von Osmium bei großer Härte eine dauerhafte Abriebsfestigkeit, Beständigkeit gegen Säuren und Polierfähigkeit auf höchste Oberflächengüte versprachen. So wurde 1919 das erste Patent des Erfinders Dr. Ernst Haagn für Federspitzen aus 80% Osmium sowie Platin, Rhodium und weiteren Elementen durch die Firma Heraeus eingereicht. Kurze Zeit später verwendete auch Parker in den USA eine ähnliche Legierung. Der Konkurrenzkampf war heftig, denn bei der Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten war die Umgehung eines Patents durch geringe Veränderung der Rezepte möglich. Dr. Haagn und Heraeus schoben deshalb recht schnell weitere Patente nach und 1923 erschien ein Legierungs-Patent, welches Wolframcarbid enthielt, eine der härtesten schmelzbaren Verbindungen, die je synthetisiert wurden und später in der Kugel des Kugelschreibers „wiedererfunden“ wurde.

Die Böhlers nahmen einen Exklusivvertrag für die neue Federspitzenlegierung an und konnten, obgleich die Osmium-Legierung enorm teuer war, einen Konkurrenzvorsprung erreichen. Die Handelsmarke, die Weltruhm erlangen sollte, war seitdem „Osmia“, das Markenzeichen ein diamantartiges Karo.

Degussa Dossenheim

Allerdings geriet die Osmia AG nach einer kurzen Kooperation mit Parker im Jahre 1932 in Konkurs. Das Pforzheimer Zweigwerk der Deutschen Gold- und Silber-Scheideanstalt DEGUSSA, das die Füllhalterindustrie seit langer Zeit mit den für die Federproduktion notwendigen Goldblechen versorgt hatte, beschloss, die Federnabteilung der Osmia zu übernehmen und dem wichtigen Kunden ein den Erhalt der Firma garantierendes Darlehen zu gewähren. Am 6. September 1932 wurde die Fertigung in den Räumen der neugegründeten Osmia GmbH mit einem Personalstand von 20 Arbeitskräften wieder aufge-nommen. Bereits im nächsten Jahr wurde ein südlich der Osmia liegendes Gebäude angekauft und die Produktion unter dem Betriebsingenieur Paul Mayer mit 80 Beschäftigten ausgeweitet. Ursprünglich sollte die Produktion nach Pforzheim verlegt werden, doch wollte man den hier ansässigen Spezialarbeitern den Umzug nicht zumuten. Mayer leitete die Firma bis 1963.

Bereits 1932 setzte im Laufe der Weltwirtschaftskrise ein enormer Anstieg des Goldpreises ein, sodass Federn kaum noch zu einem annehmbaren Preis hergestellt werden konnten. 1934 wurde in einer gemeinsamen Patentanmeldung von Rössler, KAWECO und Montblanc der Bau einer Feder vorgeschlagen, bei der ein hochgoldhaltiges drachenförmiges Vorderteil mit dem Schaft der Feder auf Stoß verlötet oder verschweißt werden sollte. Der Schaft sollte dann aus einem doublierten Material oder aus einer niedrig goldhaltigen Weißgold-Legierung bestehen. Auf diese Weise konnten 70 – 90% des ursprünglich eingesetzten Goldes eingespart werden.

1936 erzwang die nationalsozialistische Zwangswirtschaft die Erforschung einer Ersatzlegierung für Gold in Schreibfedern. Der Handel mit Gold und die Verwendung in Schreibfedern wurden verboten. Die immer wieder auftauchenden ethischen Bedenken gegen deutsche Federn aus der Zeit zwischen 1933 und 1945, die Raubgold enthalten könnten, sind eigentlich gegenstandslos. Das scheinbare nationalsozialistische Wirtschaftswunder finanzierte sich durch die Zwangsenteignungen der sogenannten Arisierung und aus dem Verkauf des größten Teils des Raub-goldes in Istanbul, einem der letzten freien Märkte für die Nazis.

Die Degussa entwickelte als Gold-Ersatz die Silber-Palladium-Legierung „Palliag“, welche auch von der Kaweco sowie von Montblanc benutzt wurde. Allerdings wurde auch die Verwendung von Palladium im Jahr 1938/ 1939 verboten.

Die DEGUSSA Dossenheim begann mit der Produktion von Stahlfedern aus hochlegiertem nichtrostendem V4A Supra-Stahl. Allerdings verschwand mit der blassgrauen Färbung des Metalls auch der einstige vorzeigbare Glanz der Goldfeder. Viele Federn wurden „brüniert“. Bei diesem Verfahren wird Öl auf das Metall aufgetragen und dann durch Erhitzen wieder abgebrannt. Die braunen Abbrandrückstände sollten der Feder ein bronzeartiges Aussehen geben. Trotz der hohen Qualität des Stahls gab es bei der Verwendung von Eisengallustinten Probleme mit Lochfraß in den Federn. Während des Krieges musste auf Krupp V2A- Stahl umgestiegen werden und am Ende des Krieges war nur noch minderwertiger Stahl verfügbar.

Die Dossenheimer Federnfabrik war das einzige DEGUSSA Zweigwerk, welches vom Krieg unbehelligt geblieben war. Auch restliche Bandgoldvorräte waren noch vorhanden. 15,7 Kilogramm Gold wurden kurz vor der amerikanischen Besetzung Dossenheims in etwa 1 Meter Tiefe unter dem Boden des Holzkohleschuppens vergraben und so vor den Nachstellungen der US-Soldaten, deren Rollkommandos mehrfache Hausdurchsuchungen vornahmen, für die DEGUSSA in Sicherheit gebracht.

Am 23. April 1945 wurde die Arbeit mit 65 Arbeitskräften wieder aufgenommen, zunächst ohne Bezahlung, seit 1948 wurden auch wieder Goldfedern hergestellt.

Trotz der immensen Produktionsaufweitung bei Goldfedern auf über 400.000 und bei Stahlfedern auf 3,4 Millionen Stück, stieg die Zahl der Beschäftigten bis 1963 nur auf 90 an, hier wurde durch Rationalisierung und Automatisierung ein erheblicher Produktivitätszuwachs erreicht.

1970 wurden in Dossenheim bei einer Mitarbeiterzahl von 125 Beschäftigten etwa 500.000 Goldfedern hergestellt. Die Produktionszahlen bei Stahlfedern sanken von 11 Millionen aus dem Vorjahr auf 9 Millionen

Am 1. Oktober 1970 zog sich das Werk nach Hanau zurück.

Das Gebäude am Südrand von Dossenheim wurde von der Firma Mutschler übernommen. Nach der Übernahme von Rupp hatte Mutschler eine in der Fachwelt bemerkenswerte Kompetenz in Federn- und Tintenleitsystemen aufgebaut.

Das Dossenheimer Gebäude stand nach dem Zusammenbruch der Firma Mutschler längere Zeit leer und wurde später abgerissen.

Glasfedern

Sicherheitsfüllfederhalter aus Hartgummi und Kolbenfüller aus Zelluloid, jeweils mit Glasfeder. Die Handelsmarke „Reform“ der Firma Heinz & Jung aus Heidelberg und Nieder-Ramstadt wurde 1956 von Mutschler übernommen
[Bild: Thomas Neureither]

Dr. Hans Roggenbuck war Vertreter einer japanischen Füll-halterfirma und brachte von dort in den frühen 20er Jahren die ersten Glasfedern mit nach Europa. Die japanischen Füller waren erheblich billiger, jedoch dem europäischen Qualitätsstandard nicht gewachsen. 1926 eröffnete Roggenbuck seine erste Füllhalterfabrik in Schlesien. Die Federn bestanden aus einem gedrehten Glasschaft, in dessen Fissuren die Tinte durch Kapillarkräfte bis zur Spitze gesaugt wurden. Diese Schreib-spitzen boten natürlich keinerlei flexiblen Komfort, doch sie waren in wirtschaftlichen Krisenzeiten eine billige Alternative zur Goldfeder. Darüber hinaus waren diese starren Federn im Bürobereich beliebt, da man durch einen höheren Anpressdruck gleichzeitig mehrere Durchschläge anfertigen konnte. Viele weitere Firmen hatten bald ebenfalls Glasfedern im Sortiment.

Rupp-Federn

Georg Peter Rupp Senior trat 1907 in die Heidelberger Federhalterfabrik Kaweco ein und war einer der Ersten, die dort nach dem Verfahren der Firma Morton Goldfedern herstellte. Nach dem Konkurs der Kaweco 1929 machte sich Rupp mit einer eigenen Goldfedernfabrik in Heidelberg-Handschuhsheim, Biethsstraße selbständig. Die Federnfabrik zog in den Eberlinweg um und existierte bis 1975 unter der Leitung von Peter Rupp jun.

Bock-Federn

Bock-Feder
[Bild: Thomas Neureither]

Die Firma Peter Bock, Präzisionsteile für Schreibgeräte, heute Aktiengesellschaft, wurde 1939 von dem Kaufmann Peter Bock gegründet. Viele der historischen Füllhalterfirmen in unserer Region, wie Böhler, Kaweco, Hebborn oder Marossy wurden mit Bock-Federn beliefert, auch Geha, Senator, Merkurit und viele Produzenten im Ausland zählten zu seinen Kunden 1962 übernahm sein Sohn Otto Bock, Diplom-Ingenieur, die Geschäftsleitung. Der Betrieb wurde danach in dritter Generation von Wolfgang Bock geleitet. Das Unternehmen beschäftigte etwa 40 Personen und fertigt neben Schreibfedern auch komplette Schreibsysteme mit Tintenleitern und Griffstücken aus Kunststoff und Metall, die weltweit vertrieben werden.

In höchster Perfektion können Inlay-Federn hergestellt werden, bei dem in einem speziellen Spritzguss-Verfahren die Feder gemeinsam mit dem Tintenleiter und dem Träger vergossen wird.

Die Firma ist auch eine der wenigen Hersteller, die noch „Noten-Federn“ herstellen kann. Diese filigranen Federn haben zwei Luftlöcher und auch zwei schräg zulaufende Einschnitte.

War man in der Frühzeit der Federproduktion noch auf die wenigen Allround- Techniker angewiesen, die mit viel Einfühlungsvermögen ein Produktionswerkzeug „aus der Hand“ herstellen konnten, so trägt sich die Firma längst selbst mit Sachverstand und langjähriger Erfahrung. Die Fertigungsmaschinen wurden weitgehend im Hause entwickelt und im eigenen Werkzeug- und Maschinenbau hergestellt. Selbstverständlich weicht die Fertigung heute von den Methoden der Gründerjahre ab.

Bei der Firma Bock ist man zurecht auch stolz auf den hohen handwerklichen Anteil innerhalb der Firma und ist Gründungsmitglied in der „Initiative Deutsche Manufakturen“, die mit ihrem guten Namen für Exklusivität und höchste handwerkliche Wertigkeit einsteht.

Firma Bock in Handschuhsheim
[Bild: Thomas Neureither]

2011 trat Wolfgang Bock in dritter Generation in die Geschäftsleitung ein. Er war immer ein großer Freund des Museums, hier brachte er viele Ausstellungsstücke aus der Federbranche ein. Wolfgang Bock verstarb 2019. Seitdem wurde die Firma kommissarisch von einem Gremium geleitet. Zum Ende des Jahres 2024 wird sie in den Besitz der Firma Schneider in Tennenbronn im Schwarzwald übergehen. Da auch Lamy Anfang des Jahres an Mitsubishi Pens in Japan verkauft wurde, gibt es hier keinen Familienbetrieb aus der Schreibgerätebranche mehr.

Luxor-Federn

Heinrich Hebborn war seit Anfang der 20er Jahre Leiter einer KAWECO Verkaufsfiliale in Köln. 1925 trennte er sich vom Mutterbetrieb und stellte zusammen mit Böttigheimer und Schlicksupp eigene Füllhalter und Federn unter dem Namen „Luxor“ her. Das Emblem war der Buchstabe H unter einer Pyramide. 1930 zog die Firma in das ehemalige KAWECO-Gebäude in Heidelberg um. In den Türpfosten des Eingangs sind als letztem Denkmal der Füllhalterindustrie der Stadt zwei weiße Sandsteinfüller eingelassen worden.

Hebborn-Luxor-Federn
[Bild: Thomas Neureither]

Das ehemalige Fabrikgebäude in der Dossenheimer Landstraße ging 1969 an die Firma Mutschler und gehört heute der Textileinzelhandelsfirma Niebel.

Weitere Federnhersteller

Nach dem Konkurs der Handschuhsheimer Kaweco gründeten sich Ende 1929 neben Füllhalter- auch eine Reihe von Federfabriken wie die Firma von Friedrich Hotz, Heinrich Scheuermann oder Ernst Popele. Karl Schmidt gründete eine Maschinenfabrik zur Herstellung von Produktionsmaschinen für die Federherstellung. Die nachfolgende Darstellung zeigt #1 eine OWA-Feder von Peter Jungmann in Dossenheim, #2 ein dem Kurpfälzer Löwen nachempfundener „Hendsemer Löb“ sowie #4 eine Certo-Feder mit dem Emblen PMH für Philipp Mutschler Heidelberg (oder Handschuhsheim?). #5 ist eine Colima-Feder von Hans Wernz im Klausenpfad. Leider konnte die Feder #3 mit dem Handschuhsheimer Wappen noch nicht zugeordnet werden.

Verschiedene weitere Handschuhsheimer Federn
[Bild: Thomas Neureither]

Federnanschliffe und Typen

Die natürliche Handstellung während des Schreibens setzt die Feder leicht schräg auf der Papieroberfläche auf. Bereits bei der Herstellung historischer Stahlfedern wurde die Schrägstellung, die sich im Besonderen bei breiten Federn bemerkbar macht, durch einen linksschrägen Anschliff der Federspitze korrigiert. Diese Feder wurde als LY-Feder bezeichnet, der rechtsschräge Anschliff für Linkshänder wurde mit TO bezeichnet. Heute tragen diese winkelkorrigierten Federn den Buchstaben „O“, nach dem französischen Wort oblique. Die gute Schreibhaltung hat sich in den letzten Jahrzehnten wegen der überwiegenden Verwendung von Kugelschreibern leider zu einer verkrampften senkrechten Stellung mit hohem Anpressdruck des Schreibgeräts verändert.

Die Breite der Federspitze geht von extra fein EF über fein, mittel und breit F, M, B bis zu den Überbreiten BB und BBB. Kalligraphiefedern tragen eine Punze mit der Federbreite die auch eine Breite über 2 mm überschreiten kann.

Die „Weichheit“ oder Flexibilität der Feder liegt mehr an ihrer Verarbeitung und Geometrie, Goldfedern sind für diese Schreibqualitäten nicht zwingend erforderlich.

Sicher ist in jedem Fall: Es gibt für jeden Anlass und jeden Anspruch eine besondere Feder für ein persönliches Schreibgefühl.


[Bild: Thomas Neureither]

Ich bedanke mich sehr herzlich für die vielen mündlich weiter-gegebenen Informationen aus der Handschuhsheimer und Dossenheimer Bevölkerung. Weitere Inhalte dieses Berichts wurden aus folgenden Dokumenten entnommen:

Mein besonderer Dank geht an das Archiv der DEGUSSA in Frankfurt sowie an Otto und Wolfgang Bock in Handschuhsheim.

Alle Abbildungen sind Besitz des Verfassers. Alle Markennamen und Herkunftsbezeichnungen sind Eigentum ihrer Besitzer.

Thomas Neureither 2024